Tourismus ohne Spuren: Unterwegs mit der Postkutsche

Womit beschäftigst du dich in deiner Freizeit während der Coronazeit? Spazieren gehen ist ja etwas sehr Schönes. Das haben nun ganz viele gemacht und genossen. Langsam aber wird es kälter, die Tage kürzer und mit ihnen auch die Spaziergänge. Urlaub geht nicht, dank Beherbergungsverbot. Das ist frustrierend, schließlich möchten wir auch mal etwas anderes sehen als die eigenen vier Wände.

Aus Zufall habe ich vor Kurzem im Internet etwas tolles gefunden – coronakonform und umweltfreundlich, also genau das Richtige für uns! Eine Möglichkeit etwas Einzigartiges zu erleben: Die Fahrt in einer originalen Postkutsche durch die schöne Landschaft in Tecklenburg und sogar vorbei an einem geschichtsträchtigem Ort. Das hat uns neugierig gemacht!

Nach einem freundlichen Telefonat buchten wir eine solche Fahrt, die am Haus Hülshoff starten sollte. Pünktlich am Startpunkt angekommen, staunten wir nicht schlecht. Haus Hülshoff ist ein echtes ehemaliges Rittergut im Stil der Neurenaissance mit einem Teich über den eine Brücke führte, ganz so, wie es sich ein romantisches Herz wünschen konnte. Im Teich schwammen Moschusenten und gegenüber des Guts war eine Wiese mit brauen Rindern, deren langbewimperten Augen so manches Mädchen neidisch werden ließen.

Wir beeilten uns, dass wir zur Kutsche kamen vor der gerade die großen Kaltblüter eingespannt wurden. Kaltblüter sind kraftstrotzende Pferde und das sieht man, wiegt doch so ein Tier auch schon mal 900 kg! Einst waren sie ein wichtiger Bestandteil der täglichen Arbeit in der Land- und Forstwirtschaft, mittlerweile wurden sie leider größtenteils durch Maschinen ersetzt, die es den Menschen nur allzu leicht machen, eine Menge Arbeit zu erledigen und nebenbei auch leider viel kaputt zu machen. Die umweltschonendere Art mit Unterstützung der Kaltblüter wird nur noch sehr selten angewandt. Deshalb gehören die freundlichen Kaltblüter zu den aussterbenden Rassen. Dabei können die sanften Riesen eine Menge! Zum einen ziehen sie die verschiedenen Kutschen, neben der originalen Postkutsche aus dem Jahre 1894 stehen auch noch ein Milchkannenwagen und zwei Planwagen zur Verfügung, einer für sieben und einer für bis zu sechzehn Personen, zum andern werden sie von unserem heutigen Postillion auch im Westernstil geritten. In die Postkutsche stiegen wir schon bald ein, natürlich nicht ohne zuvor den gutmütigen Pferden ein vom Kutscher erhaltenes Leckerli zu geben. Enthusiastisch berichtete dieser uns von der Geschichte seiner selbst renovierten Postkutsche, die eine der ältesten ihrer Art ist, die noch fahren. In der Kutsche war es durch eine eiserne Wärmflasche schön warm und die seitlich angebrachten Bänke hatten eine weiche Polsterung. Zu viert passten wir sehr gut hinein und sogar Decken lagen bereit. Wir machten es uns gemütlich und schon bald erscholl das Horn des Postillions, also des Fahrers der Kutsche. Natürlich war dieser stilecht gekleidet, was uns sehr viel Freude machte.

Es war etwas besonderes und das spürten wir durchweg.

Die Kutsche fuhr an und wir genossen die wundervolle Fahrt. Immer wieder hörten wir das Horn des Postillions schmettern und jedes Mal hatten wir unsere helle Freude daran. Wir wollen hier nicht zu viel verraten, nur soviel: Es lohnt sich! Wir würden nicht darüber schreiben wenn es nicht so wäre, Ehrenwort.

Zwischendurch, wenn andere Menschen teils staunend in die Kutsche sahen, haben wir gewunken und fühlten uns wie die Könige:innen! Okay, wie Könige:innen für eine Stunde, ansonsten war dieser Job sicher sehr nervenaufreibend. Aber uns in einer Kutsche durch diese schöne Gegend fahren lassen könnten wir stundenlang. Es war zauberhaft schön so nah am Wasser, welches eigentlich gar nicht mein Element ist, vorbeizufahren und zu sehen, wie sich alles in ihm spiegelte.

So etwas muss man einfach erlebt haben und wir überlegen, ob wir auch mal die längere Route buchen, denn die Kinder hatten auch viel Spaß an der Fahrt und es ist eine gute Sache. Bei einem Zwischenhalt am Haus Marck, dem versprochenen, geschichtsträchtigen Ort – auch hier verrate ich nichts, denn die Geschichte ist viel besser wenn man sie gesprochen hört – haben wir auch ein paar Fotos gemacht.

Auch die Signale, die zur damaligen Zeit mit dem Posthorn gegeben wurden und nun zur Unterhaltung der Fahrgäste ertönten, wurden uns erläutert. Interessant, wie Kommunikation zur damaligen Zeit funktionierte.

Als wir wieder auf dem Gut waren, durften wir nach dem Abspannen der Pferde mit zu deren Offenstall in dem noch ein Süddeutsches Kaltblut mit Namen Schorsch und zwei Ponys namens Fritz und Lucky standen. Nachdem die Kutschpferde, Laif, ein Pinzgauer Noriker und Womble, ein Rheinisch-deutsches Kaltblut mit Pferdedecken versorgt waren, erzählte uns der Postillion, Herr Siepert, dass sogar das Heu mit diesen eindrucksvollen Pferden geerntet wird statt mit schweren, bodenverdichtenden Geräten. Das beeindruckte uns sehr, dachten wir doch, dass es das nicht mehr gibt. Das wäre sicher interessant zu sehen.

Wir hatten also an diesem Wochenende ein wirklich eindrucksvolles Erlebnis, das wir gerne weiterempfehlen. Wenn du jetzt neugierig bist und mehr über die Pferde, Kutschen und Ausflugsmöglichkeiten erfahren möchtest: Hier geht es zur Homepage.

Viel Spaß bei deinem Ausflug in die Vergangenheit!
(Übrigens sicher auch ein tolles Weihnachtsgeschenk für einen lieben Menschen dem ein bisschen Entschleunigung gut tun würde!)

Und was hat unsere Freizeitgestaltung jetzt mit dem Thema unseres Blogs zu tun, mit Umweltschutz und nachhaltigem Leben?

Nun, so einiges!

Wer das Jahr über mit offenen Augen bekannte Ausflugsziele besucht, wird genau wie wir festgestellt haben, wie sehr diese durch uns Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden – und sei es „nur“ durch überall herumliegenden Müll. Die Fahrt mit dem „gelben Wagen“ (ja, der aus dem Volkslied!) ist da etwas ganz anderes. Das Einzige, was nach diesem Ausflug in der Natur zurückbleibt, sind ein paar in die Blüsen geschüppte Pferdeäpfel, auch als guter umweltfreundlicher Dünger bekannt und bei Gärtnern beliebt.

Wir haben an diesem Wochenende viel gelernt und werden Haus Hülshoff und seine Bewohner sicher noch so manches Mal besuchen. Dort gibt es noch viel zu entdecken!

Entschleunigte Grüße

Familie Bischoff

Ist es nicht traumhaft schön hier?